Ablenkung, schlechtes Wetter, Überforderung, Kontrollverlust über das Fahrzeug und weitere trockene Worte, beschreiben banal die Ursache eines Verkehrsunfalls. Ein Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang geht tiefer. Es ist schicksalhaft, es verändert das Leben, von einem Moment zum nächsten. Es kann jeden treffen, jeden von uns.
Vor ein paar Tagen ereignete sich in der Nähe meiner Wohnung ein schrecklicher Verkehrsunfall, bei dem zwei Männer ihr Leben verloren. Verkehrsunfälle stimmen mich immer traurig, unabhängig ob mir die Opfer bekannt sind oder nicht. Da sind zwei Männer, die nach Feierabend auf dem Heimweg sind. Sie fahren auf derselben Straße, nur in entgegengesetzter Richtung. Einer sitzt am Steuer eines Autos, der andere ist mit dem Motorroller unterwegs. An einer sehr engen und unübersichtlichen Stelle, kracht der Autofahrer, aus unklaren Gründen gegen den Baum und reißt dabei den entgegenkommenden Rollerfahrer mit. Beide sterben am Unfallort. Ich frage mich, wie sowas passieren kann? Wer oder was regelt diese Steuergrößen, die abhängig voneinander zu einem Zusammentreffen führen? Diese beiden Männer, aus zwei völlig verschiedenen Leben, werden nie wieder zur Haustüre reinkommen.
Wenn ich unterwegs bin und die Unfallstelle passiere, denke ich mir, hier war der Autofahrer noch am Leben, was hat er gemacht? Was hat er gedacht? Freute er sich auf das Abendessen mit seiner Frau? Hatte evtl. eines seiner Kinder Geburtstag? Was denken wir, wenn wir auf dem Heimweg sind? Wir denken nicht daran, dass wir ein Fahrzeug steuern und nicht bei der Sache sind, wir denken nicht daran, dass evtl. ein anderer Verkehrsteilnehmer gefrustet, unaufmerksam oder gar leichtsinnig unterwegs sein könnte. Wir denken nicht daran gleich gegen den nächsten Baum zu rasen, zu sterben und sogar noch einen anderen mitzureißen. Was war mit dem Rollerfahrer? Es ist Ende März, vielleicht freute er sich wieder mit dem Roller zu fahren. Der Frühling ist da, das Wetter ist herrlich. Ironischer Weise ist in der Woche nach dem Unfall wieder der Winter eingebrochen, also hätte er den Roller zu Hause stehen lassen müssen. Wären dann seine Überlebenschancen mit dem Auto grösser gewesen?
Warum wurde keiner der Beiden eine oder zwei Sekunden aufgehalten? Waren alle Ampeln auf grün? Ist denn keine Katze über die Straße gelaufen, sodass einer wenigstens bremsen musste? Vielleicht hätte einer der Beiden nochmal an der Zigarette ziehen sollen. Wären sie sich trotzdem begegnet, oder sich doch um einen Zigarettenzug verfehlt? Hätte das was geändert? Wir wissen es nicht. In solchen Momenten wünscht man so sehr, die Zeit anzuhalten oder zurückzudrehen, nur eine Sekunde, um einen Zigarettenzug.
Unfälle werden tonlos visualisiert, Stille und Chaos. Zurück bleibt eine explosionsartige, jedoch temporäre Besinnung auf unsere Endlichkeit. Auf unseren Wegen sind wir stets getrieben von Gedanken, die beinhalten meist Erledigungen die uns im Nacken sitzen, Termine und den täglich grüßenden selben Problemen, die wir nie lösen werden. Es gibt keinen Feierabend mehr. Wir halten uns für enorm wichtig, sodass wir während dem Steuern eines Kfzs Emails beantworten und in halsbrecherischer Meisterleistung die Welt retten. Koste es was es wolle, das eigene oder das Leben des anderen. Ist nicht jeder von uns schon mal durchgedreht, weil unser Vordermann langsamer als erlaubt fährt? Ist es nicht auch schon vorgekommen, dass genau dieser nervenzerfetzende Vordermann uns vor dem Blitzer bewahrt hat?
Wir bewegen schwere und leistungsfähige Fahrzeuge. Jederzeit können wir verletzen und auch verletzt werden. Wir rasen mit überhöhter Geschwindigkeit durch den Ort, ist das Auto groß und schwer, verleiht uns das eine Art Unverwundbarkeit. Wir definieren uns über die Motorleistung des Autos. Völlig absurd mit so einer Einstellung am öffentlichen Verkehrsleben teilzunehmen.